Gendergerechte Sprache im Marketing
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, MitarbeiterInnen, Mitarbeiter/innen, Mitarbeitende, Mitarbeiter*innen … die Möglichkeiten gendergerechter Formulierungen sind vielseitig. Und trotzdem trifft man nach wie vor sehr häufig auf die ausschliesslich männliche Form. «Frauen sind selbstverständlich mitgemeint», wird oft argumentiert. Doch viele Frauen wollen sich nicht damit zufriedengeben, einfach «mitgemeint» zu sein, sondern sie wollen spezifisch angesprochen werden. Das ist verständlich. Warum das wichtig ist und was das fürs Marketing bedeutet.
Einführung: Geschlecht und Gender in der Sprache
Die deutsche Sprache unterscheidet bei den Substantiven zwischen den drei grammatischen Geschlechtern (Genus) Maskulinum (der), Femininum (die) und Neutrum (das). Teilweise stimmt diese grammatische mit dem natürlichen Geschlecht (Sexus) überein, also zum Beispiel im Falle von «der Mann» und «die Frau». Häufig ist der Artikel aber auch morphologisch bestimmt, etwa weil der Begriff auf eine bestimmte Silbe endet. So sind alle Substantive mit der Endsilbe -heit feminin (Gesundheit, Gelassenheit, Freiheit usw.). Ganz oft ist das grammatische Geschlecht im Deutschen aber auch ganz einfach Zufall (der Tisch, das Glas, die Frisur …). Dann wiederum gibt es Nomen, die sowohl eine maskuline als auch eine feminine Form haben, wie es bei Berufsbezeichnungen der Fall ist. Dies ist ein entscheidender Punkt in der Diskussion um geschlechtsneutrale Sprache, weil die Pluralform von Projektleiter (die Projektleiter) niemals geschlechtsneutral sein kann, weil es eben auch die Projektleiterinnen gibt. Frauen sind bei «die Projektleiter» also theoretisch nicht mitgemeint, sondern eben explizit nicht angesprochen. Auf Substantive wie «der Gast», «der Mensch» oder «die Person» trifft dies hingegen nicht zu, weil es hier kein weibliches oder männliches Pendant gibt, das «Geschlecht» ist in diesem Fall also rein grammatikalisch und nicht biologisch.
Diskriminierung durch Sprache
Sprache kann beleidigen, missbrauchen und diskriminieren, zum Beispiel durch sprachlich ausgedrückte Beleidigungen, das ist klar. Doch Sprache vermag eben auch dann zu diskriminieren, wenn Formulierungen falsch angewandt oder bestimmte Bezeichnungen – meist die weibliche – bewusst ausgelassen werden. Die universitären und Hochschulinstitutionen sowie viele staatliche Betriebe in der Schweiz haben sich der strikten Verwendung gendergerechter Sprache verschrieben und verlangen deren konsequente Anwendung im gesamten Betrieb auf Basis der zu diesem Zweck verfassten Leitfäden.
Konkret: Gendergerechte Sprache in der Werbung – ja oder nein?
Marketing-Texte zeichnen sich dadurch aus, dass sie kurz und knackig formuliert sind und die Aussage auf den Punkt bringen. Da ist es klar, dass man nicht immer die männliche und die weibliche Bezeichnung ausformulieren kann. Es gibt aber auch hier Möglichkeiten, wie man sensibel damit umgeht. Richtet man sich an eine mehrheitlich weibliche Zielgruppe, ist es sogar ratsam, ausschliesslich die weibliche Form zu verwenden. Umgekehrt trifft dies natürlich auch zu. Auch bei Werbetexten sollten die gerne vorgebrachten Gründe der «Verständlichkeit und Einfachheit» nicht einfach ohne zu hinterfragen befolgt werden. Vielmehr kann man mit gutem Beispiel vorangehen und darauf achten, die Texte, Claims, Slogans etc. gendergerecht zu formulieren.
- Die Lösung für jeden = Die Lösung für alle
- Zuschauer = Publikum
- Motiviere deine Mitarbeiter = Motiviere deine Belegschaft
- Eine Mannschaft, eine Mission = Ein Team, eine Mission (sofern gemischtgeschlechtlich natürlich)
- Expertenwissen = Fachwissen, Know-how
- Krankenschwester = Pflegefachperson
- usw.
Wichtig ist, dass Frauen und Männer in einem Text gleichermassen sichtbar sind. Das bedeutet nicht, dass partout immer die männliche und weibliche Form ausformuliert werden muss. Es bedeutet aber Fingerspitzengefühl beim Schreiben, denn wer etwas Wert darauflegt, findet vielseitige Lösungen für das vermeintliche Problem.
Die Krux mit SEO
SEO ist ein bedeutendes Element im Marketing und hat, wenn auch nicht ausschliesslich, sehr viel mit Text und Schreiben zu tun. Wer sich mit Keywords und Suchmaschinenoptimierung auseinandersetzt, steht, was die gendergerechte Sprache angeht, auch immer mal wieder vor Herausforderungen, denn: Meistens wird in den Suchmaschinen nur nach den männlichen Formen gesucht. Dies ist allerdings längst kein Freipass, nur noch diese Form zu verwenden, darf aber beim Verfassen von Meta Descriptions berücksichtigt werden, da die Zeichenzahl sehr eingeschränkt ist (max. 160 Zeichen) und das Verwenden der weiblichen Form aus SEO-Sicht keinen zusätzlichen Nutzen bringt – sofern man es als sensible Texterin oder sensiblen Texter übers Herz bringt.
Bei längeren Webtexten, die natürlich auch auf Basis einer Keyword-Strategie entstehen sollten, gilt dies aber nicht mehr. Sind Frauen und Männer in der Zielgruppe, dann sollen sie auch so angesprochen werden – als Frauen und Männer. Auch in diesem Fall braucht es etwas Fingerspitzengefühl und Erfahrung seitens der schreibenden Person, sodass die Texte sowohl SEO- als auch genderneutrale Kriterien (und nicht zuletzt grammatische, orthographische und Storytelling-Kriterien) erfüllen.
Fazit
Argumente gegen die gendergerechte Sprache, die die Textlänge oder die komplexeren Formulierungen betreffen, sollten heute nicht mehr gelten. Würde man etwa konsequent damit beginnen, anstatt der männlichen nur noch die weibliche Form zu verwenden, um damit alle anzusprechen, würde die Empörung wohl nicht lange auf sich warten lassen. Die deutsche Sprache bietet viele Ausweichmöglichkeiten, die man sich zunutze machen sollte – auch und gerade im Marketing. «Auch schlechte Werbung ist Werbung», das mag sein, aber noch bessere Werbung ist gute Werbung. Gute Werbung hängt im Wesentlichen auch mit der verwendeten Sprache zusammen. Und diese sollte im Jahr 2019 nicht mehr diskriminierend sein.
2 Kommentare zum artikel