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Prof. Dr. Silke Lennerts als #Womanofaction, portraitiert by xeit. Die bekennende Passiv-Nutzerin zu Gameification in Vorlesungen, Facebook Gruppen zu Umbau-Themen und Dynamic Pricing.

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Bei der Planung unserer Interview Serie #Womenofaction sollte meine erste Interviewpartnerin mein erster weiblicher LinkedIn Kontakt sein – dachte ich mir. Und fing an zu scrollen. Weit zurück bis ins Jahr 2009 und traf dabei auf Silke Lennerts. Das trifft sich hervorragend – denn Silke ist definitiv eine Woman of Action. Und gleichzeitig meine einzige Freundin mit einem Professorentitel. Wenn das mal kein passender Auftakt ist.

Silke Lennerts hat nach dem Doktorat an der HSG einen Abstecher in die Beratung zur Simon Kucher gemacht, um danach als Assistenz Professorin und Managing Director des Center for Innovation an die HSG zurückzukehren. Heute ist sie Professorin für Betriebswirtschaft für an der Dualen Hochschule Baden Württemberg und Dozentin an der PHW Bern, der Uni Bern und an der Uni St. Gallen im Bereich Weiterbildung. Silke ist verheiratet und Mutter eines 8-jährigen Sohnes.

Herzlich willkommen Silke. Danke, dass du dir die Zeit genommen hast, mit mir ein paar Digital-Themen zu diskutieren. Ich würde gerne zum Start ein paar generelle Dinge zu deinem Online Verhalten fragen:

Mit welchem Medium startest du typischerweise in den Tag? Zeitung? Radio? Oder checkst du erst Mal Facebook?

Unter der Woche geht mein erster Kontakt zur Welt am Morgen über das Handy, wo ich erst mal Online-Nachrichten checke und mich über das aktuelle Geschehen auf der Welt informiere. Später wird natürlich auch WhatsApp & Co gecheckt.

Am Wochenende bin ich noch klassisch unterwegs und schätze die Haptik einer gedruckten NZZ. Von der ich leider nur die Internationale Version erhalte, seit ich wieder in Deutschland lebe.

Was sind unverzichtbare Tools in deinem Alltag?

Google, Email, Outlook, aktuell Alfaview – ein in Karlsruhe entwickeltes Online Konferenzsystem, das wir an der Hochschule nutzen, ähnlich wie Zoom. Und natürlich WhatsApp 😊

Seit ich privat unseren Umbau plane, habe ich zudem die Vorzüge von Facebook Gruppen kennengelernt – da gibt es themenspezifische Gruppen, in denen sich User z.B. zu Badsanierungen austauschen und man echt hilfreiche Inhalte findet.

Für die Vorbereitung von Vorlesungen (z.B. Marketing) nutze ich auch schon mal Instagram, um illustrative Beispiele zu finden.

Ein Tag ohne ….. (Facebook, Instagram, LinkedIn.. usw.) geht nicht. Wieso?

Google!  Ich muss das Gefühl haben, alles googlen zu können.

Echt? Hast du schon mal ein Digital Detox gemacht – versucht, so ein, zwei Wochen komplett aufs Handy bzw. Internet überhaupt zu verzichten?

Nein 😉

Aber zurück zur Eingangsfrage. Gibt es weitere Tools, ohne die dein Leben nicht mehr vorstellbar wäre?

Ja, für die private Kommunikation natürlich auch WhatsApp. Im Zuge der Diskussionen zu Datensicherheit bei WhatsApp habe ich auch schon mal kurzzeitig versucht, auf Signal zu wechseln – aber solange meine Kontakte nicht da sind, macht das keinen Sinn.  

Häufig ertappe ich mich auch dabei, Online Tools auch als Lückenfüller zu nutzen. Wir sind es ja heute kaum noch gewohnt, mal ein paar Minuten nichts zu tun.

Und, was ich aktuell auch mal schon nutze, ist LinkedIn. Um berufliche Kontakte zu halten – aber mittlerweile auch häufig zum News konsumieren. Gefühlt gibt es auch mehr spannende Inhalte in letzter Zeit, auch Professoren posten mehr.

Wie gestaltest du deine Online Reputation?

Ich bin überhaupt nicht aktiv im Social Web. Während andere alles posten, halte ich mich komplett zurück. Ich begnüge mich mit dem passiven Konsum. Das hat zwei Gründe: erstens ist es mir rechtlich zu heikel. Bezüglich Inhalten, die ich allenfalls noch teilenswert fände, wie z.B. Journal Artikel, bin ich mir unsicher mit dem Urheberrecht. Zweitens sehe ich bei anderen dass z.T. die Kommentare auf Posts schon sehr hart sind – da hätte ich keine Lust drauf. Ich glaube, ich bin schlicht zu risikoavers.

Das einzige was ich ab und an tue ist, meine Online Reputation zu prüfen (Ego Googlen 😉) – bisher kam aber noch nichts Unerfreuliches dabei raus.  

Welcher Online-Trend wird deine Branche zukünftig beeinflussen?

In der Lehre ist es sicher das Online-Teaching. Der Trend wird uns vermutlich auch nach Corona noch begleiten. Ich erwarte, dass die Entwicklung in Richtung einer Kombination von Online-Teaching und Präsenzunterricht gehen wird.

In der Forschung sind es hingegen die Trends selber, die Gegenstand der Forschung werden. Und was auf die Methoden sicher einen grossen Einfluss haben wird, ist das Thema «Big Data» – daraus ergeben sich halt einfach zusätzliche Insights und neue Analysemöglichkeiten.

Als ich dich das erste Mal traf, hast du als Tutorin den SPSS Kurs an der HSG geleitet. Ich habe leider nicht viel verstanden. Aber das lag wohl eher an SPSS als an deinem fehlenden didaktischen Können. Hat das Tool auch heute in deiner Arbeit eine Bedeutung?

Im Moment halte ich keine Vorlesungen zu Marktforschung oder Datenanalyse. Daher in der Lehre nicht. Aber natürlich in der Forschung. Für klassische Analysen z.B. von Befragungen nutzt man immer noch SPSS – zum Beispiel für multivariate Verfahren. Für gewisse Auswertungen setzt man auch Excel ein. Und natürlich gibt es noch weitere Tools, aber SPSS ist tatsächlich immer noch der Klassiker.

Apropos SPSS: Als wir vor rund 12 Jahren unsere erste Social Media Studie (damals hiess sie noch Web 2.0 Studie) lanciert haben, hast du uns geholfen, ziemlich sophistizierte Auswertungen zu machen, mit Cluster und so. Diesen Anspruch haben wir mittlerweile aufgegeben. Heute kann ja fast jeder mit einfachen Webbasierten Tools Umfragen erstellen und eigene kleine Studien machen. Bei welchen «statistischen» Aussagen oder Auswertungen schauderts dich als Expertin jeweils?

Wenn versucht wird, Korrelationen anzuwenden, wo es keinen Sinn macht, z.B. aufgrund des Skalenniveaus oder der Forschungsfrage.

Kannst du für den Laien ein Beispiel machen?

Der Korrelationskoeffizient nach Pearson wird mitunter zum Beispiel auf Daten angewendet, die nicht metrisch, sondern nominal skaliert sind (z.B. Parteienzugehörigkeit FDP, CDU, Grüne oder männlich, weiblich, divers). Hier wäre jetzt ein Chi-Quadrat-Test angebracht.

Zudem schaudert‘s mich, wenn offensichtliche Scheinkorrelationen als Argumente benutzt werden.

Grundsätzlich ist es oft besser, nicht zu komplizierte Verfahren anzuwenden – eine deskriptive Analyse ist häufig zielführender.

Der Beruf als Professorin hat ja zwei recht unterschiedliche Seiten: einerseits die Lehre, also das Unterrichten, und andererseits die Forschung während der vorlesungsfreien Zeit. Auf welchen der Bereiche haben die digitalen Möglichkeiten, die sich in den letzten 20 Jahren entwickelt haben, den grösseren Einfluss?

Ich denke, auf beide Bereiche gleichermassen. Im Bereich der Marketingforschung haben sich die Inhalte und gleichzeitig auch die Möglichkeiten verändert. Wir forschen heute mit und über soziale Medien. Kollegen haben z.B. vorher Experimente mit Studierenden im Klassenraum gemacht, heute sind die Themen viel mehr auch in den Sozialen Medien verankert. Auch die Journals sind voll mit Artikeln zu Social Media.

Und auch in der Lehre gibt es Einflüsse inhaltlicher Natur: im Marketing, Kundenbindung, Innovationsmanagement, Pricing etc. Und natürlich auch bei den Tools – wir  nutzen z.B. digitale Medien auch im Präsenzunterricht: YouTube-Videos, Online-Tools, Mentimeter, um Abstimmungen zu machen. Man könnte fast sagen, es gibt bei manchen einen gewissen Trend hin zu einer Gamification in den Vorlesungen.

Dein Fachgebiet ist ja seit bald 20 Jahren das Pricing. Nutzt ihr hier in der Forschung eigentlich auch Möglichkeiten wie zB Social Ads, mit denen man ja eigentlich gut mit A/B Tests Preissensibilität abtesten könnte?

Ich selber habe noch keine Pricing-Forschung auf diesem Weg betrieben. Aber es wird gemacht – das liest man auch. Das heisst, es wird in der Forschung genutzt, aber auch von Unternehmen selber, die z.B. Preise gegeneinander abtesten.  

Und wie siehts mit klassischen A/B Tests, zB über Optimizely aus? Nutzt ihr sowas?

Bisher noch nicht. Also ich nicht. Ich bin aber auch der Meinung: bevor ein Online Shop wild mit Pricing experimentiert, gibt es vielerorts viel grundlegenderes Optimierungspotenzial: zum Beispiel im Bereich der Usability, der Login Prozesse etc.

Stichwort Dynamic Pricing: Wir kennen das ja von Fluggesellschaften, mittlerweile setzen auch Skigebiete immer häufiger auf die Möglichkeit der – ich nenne es jetzt mal «effizienten Abschöpfung». Ist diese Strategie auch für klassische Online Shops relevant?

Ja, natürlich. Das Internet ist prädestiniert dafür, da ja schon alle Daten elektronisch vorliegen und gesteuert werden können. Möglich ist es also absolut. Aber es ist nicht zwingend überall sinnvoll.

Schon früh hat man von Yield Management / Revenue Management gesprochen – und das war in erster Linie bei Fluggesellschaften bekannt. Diese hatten viele Daten, die für die Prognostizierbarkeit hilfreich waren. Mittlerweile gibt es die IT dafür und Dynamic Pricing ist damit auch für viele andere Branchen möglich geworden. Beispielsweise könnte man es z.B. auch in Freizeitparks nutzen. Die Frage ist hier aber eher: möchte man das? Wenn nun die Ticketpreise an den Tagen, wo die Auslastung im Freizeitpark höher ist, ansteigen, sind die Leute ja doppelt bestraft – sie zahlen mehr und müssen erst noch länger bei Attraktionen anstehen.  

Das Thema ist aber längst auch im Retail angekommen. Im Internet wird häufig das Beispiel Amazon oder Walmart genannt. Die Unternehmen selbst halten sich jedoch zu diesem Thema bedeckt. Teilweise denken Online-Unternehmen, sie müssen bei Preisvariationen mithalten.  Aber es sind nicht nur die Daten und die Software. Die ist schnell gekauft und implementiert. Wichtig ist vor allen Dingen, eine wirkliche Strategie zu haben. Sonst kann es auch schnell in einem Desaster enden. Und dann braucht es professionelle Hilfe.

Nicht zu vergessen: Die Preise sollten nicht immer nur nach unten angepasst werden. Der Charme von Dynamic Pricing liegt ja auch darin, auch in günstigen Zeiten die Preise zu erhöhen.

Wir kennen alle das Gerücht, dass Preise auf Website abhängig vom genutzten Device variieren – dass man, wenn man mit einem Apple Gerät surft, grundsätzlich höhere Preise sieht. Was glaubst oder weisst du darüber?

Bei der Swodoo-App wurde es im SWR-Marktcheck mal gezeigt am Beispiel von Flug- und Hotelpreisen. Der Test zeigte, dass User, die mit einem mobilen Device die App aufgerufen hatten, teurere Hotels zu sehen bekamen als solche, die mit dem Desktop auf der Swodoo-Internetseite unterwegs waren. Vermutlich, weil man davon ausgehen kann, dass jemand auf dem Mobile dringender ein Zimmer braucht und weniger vergleicht als einer der am Schreibtisch sitzt.

Ansonsten gibt es wenig Bestätigungen seitens von Unternehmen. Häufig wird ja auch gleich der Schluss gezogen, dass, wenn Händler elektronische Preisschilder in ihren Märkten eingeführt haben, diese genutzt werden für Dynamic Pricing. Das ist mitunter aber auch ein Trugschluss – häufig ist die Handhabung von elektronischen Preisschildern schlicht bequemer.

Aber es gibt auch Beispiele, von denen man es weiss. Albert Heijn, ein niederländischer Einzelhändler, nutzte dynamisches Pricing, um möglichst Produkte im Fleisch- und Fischbereich mit Mindesthaltbarkeitsdatum vor Ablauf zu verkaufen. Ein schönes Beispiel, bei dem es nicht nur um eine Abschöpfung geht, sondern auch darum, Foodwaste zu vermeiden.

Anders als beim Beispiel der Fluggesellschaften und den Skiliften sprechen hier aber die wenigsten Unternehmen drüber. Vermutlich muss Dynamic Pricing sich in manchen Branchen erst etablieren, damit es nicht mehr hinterfragt wird. Und dazu braucht es vielleicht auch einen Auslöser. Bei den Skiliften z.B. ist die Entwicklung ja auch erst aus einer Krise heraus entstanden. 

Ein Artikel aus der Marketing Review St.Gallen hat gezeigt, dass Skifahrer/-innen Dynamic Pricing in Schweizer Gebieten grundsätzlich offen gegenüberstehen.

Zum Schluss: Hast du noch einen einfach umzusetzenden Tipp für unsere Leser die einen Online Shop betreiben, wie sie ihr Pricing optimieren können?

Sicherlich ist es natürlich sinnvoll, Pricing-Software nutzen, um Wettbewerbspreise zu tracken. Zunächst sollten jedoch bestimmte Pricing-Guidelines definiert werden, d.h. strategische Eckpunkte. Was sind die Ziele? Gewinn, Marktanteil; welche Rolle möchte man im Preiswettbewerb einnehmen? Möchte man Quersubventionen zulassen? Etc.

Und preispsychologische Effekte nutzen: z.B. Eckartikel Pricing (z.B. Preise, die man kennt, macht man günstig, bei anderen eher teurer), Preisgegenüberstellung (z.B. durchgestrichener Preis) und insbesondere auch Empfehlungen/Rezessionen. Die Klassiker funktionieren auch heute noch 😊.

Kategorie:  Interview

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