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Martina Wacker, als #Womanofaction, portraitiert by xeit. Die Gründerin über Gemüse-Rezepte, Google Rezensionen und den Wert eines CRM.

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Diese grünen Körbe bei uns im Hausflur sind mir schon lange aufgefallen. Dass Martina Wacker und ihre Firma „BioMio“ dahinterstecken, hat sich mir erst später erschlossen. Aber jetzt, wo ich die Geschichte kenne, würde ich die Frau dahinter gerne vorstellen. Denn ich finde, unsere Interviewserie #womenofaction würde eine spannende Geschichte fehlen ohne sie.

Martina startete nach dem Studium ihre Karriere als Wirtschafts-Journalistin – und machte dabei bei (fast) allen wichtigen Verlagen halt: Handelszeitung, Tamedia, Ringier. Bei einer Reportage über Jungunternehmer traf sie dann auf eine Idee, die sie nur wenig später selber auch in Zürich umsetzen sollte: Ein Bio-Gemüse Abo. Jetzt ist sie Unternehmerin und schreibt nur noch nebenher.

Herzlich willkommen Martina – und vielen Dank, dass du dir für diesen Austausch trotz dem sicher vollem Tagesprogramm Zeit genommen.

Wie startest du normalerweise in den Tag?

Zuerst checke ich meine Mails, da jeweils nach Feierabend viel reinkommt. Danach verschicke ich Bestellungen, instruiere Fahrer etc. Das das geht dann den ganzen Tag so weiter.

Was sind unverzichtbare Tools in deinem Alltag?

Mails auf jeden Fall. Endlich habe ich auch ein CRM – was ich nie mehr hergebe. Dieses Tool hat mir einiges erleichtert. Was auch noch wichtig ist, sind Google und Google Maps. Würde es die zwei nicht geben, würden wir im Kreis fahren.

Was für ein CRM besitzt ihr?

Unser CRM-System ist auf unsere Bedürfnisse gebaut – eine Eigenentwicklung. Über den technischen Hintergrund kann ich nicht mehr sagen. Davon habe ich keine Ahnung (lacht).

Ein Tag ohne ….. (FB, Insta usw.) geht nicht. Wieso?

Auf Social Media bin ich kaum. Aber ich könnte nicht mehr ohne CRM leben. Und Google. Ist auch unglaublich, was man heute Googlen kann.

Hast du das schon mal probiert ein paar Tage ohne Google zu sein – eine Art Digital Detox?

Bewusst einen Digital Detox habe ich bisher nicht gemacht. Aber ich achte darauf, dass die Bildschirmzeit auf meinem Handy durchschnittlich nicht mehr als eine Stunde beträgt. Am Laptop schaue ich aber nicht rein, das will ich ehrlichgesagt auch gar nicht wissen.

Wie gestaltest du deine Online Reputation?

Unsere Homepage war mir von Anfang an sehr wichtig. Die sollte einen guten, professionellen Eindruck hinterlassen – zum Beispiel, dass keine Bilder zu gross oder zu klein sind, alles schön bündig ist etc. Und sie sollte optisch auch die Landliebe rüberbringen.

Und du selber – kommst du auch vor?

Nein. Das liegt vielleicht an meinen journalistischen Wurzeln: wir stellen gerne Fragen, bleiben aber selber im Hintergrund (lacht). Auf der Website komme ich schon vor, aber ich muss nicht in den Vordergrund stellen.

Also teilst du auch nichts auf deinen Profilen?

Nein, ich habe aber auch keine Affinität dafür.

Als Abo Dienst, der den Kunden die Lebensmittel bis an die Tür bringen, gehört BioMio sicherlich eher zu den Gewinnern der Corona Krise. Während Coop@home und Migros Online kaum mehr Lieferfenster zur Verfügung hatten, konnten kleinere Player wie auch Farmy flexibler reagieren und Kapazitäten kurzfristig ausbauen. Wie war das bei euch?

Klar, auch wir haben davon profitiert. Ab dem Moment, als das BAG den ersten Lockdown verkündet hat, kamen wahnsinnig viele Bestellungen rein. Es gab kein Ende. Einerseits haben wir uns sehr darüber gefreut. Anderseits war es aber auch beängstigend. Wir kamen wirklich ans Limit. Zwar haben wir als kleines Unternehmen eine gewisse Flexibilität. Doch die Flut an Bestellungen hat auch einiges mehr an Ressourcen verlangt. Wir mussten weitere Fahrzeuge kaufen, einen zusätzlichen Kühler zur Lagerung des Gemüses organisieren, und und und. Einige Kundinnen und Kunden mussten wir leider auch vertrösten und erstmal auf eine Warteliste setzen. Das Tolle ist: unsere anfängliche Befürchtung, die Neukunden könnten schnell wieder abspringen, sobald der Lockdown beendet ist, hat sich nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Die meisten Kunden, die wir während Corona gewonnen haben, sind heute noch immer mit dabei.

BioMio ist ja ein «reines» Online Business – von der Bekanntmachung bis zum Abschluss läuft alles digital. Welche Rolle spielt die Online Werbung bei euch?

Online Werbung ist der wichtigste Traffic-Lieferant. Den grössten Anteil haben Google Ads. Content Marketing über Instagram & co. spielt sicher auch eine gewisse Rolle – aber eher am Rande. Nebst Google Ads ist vor allem die Mund zu Mund Propaganda ein wichtiger Werbepfeiler. Gerade in Mehrfamilienhäusern werden die Nachbarn über die die im Flur stehende Körbe auf das Angebot aufmerksam. 

Auf der Website www.bio-mio.ch gibt es einen Bereich «Magazin» mit Rezepten, Portraits, Tipps und Tricks. Welche Rolle spielt Content Marketing bei euch?

Die Rezepte sind ein wichtiges Element, zur Kundengewinnung und -bindung. Sie bieten einerseits den bestehenden Kundinnen und Kunden einen Mehrwert. Enthaltenes Gemüse kann direkt mit einem passenden Rezept verarbeitet werden. Gleichzeitig gelangen durch die Rezepte neue User auf unserer Seite, wovon ein Teil schliesslich über den Content zum Angebot finden. Die anderen Kategorien sind aktuell noch nicht so stark bewirtschaftet. Unser Ziel ist es aber, dort künftig den Content noch mehr auszubauen.  

Bis anhin war das Thema Social bei BioMio ja nicht ganz so grossgeschrieben. Aber: als Instagram Follower ist mir aufgefallen, dass ihr den Kanal seit kurzem aktiver nutzt. Das finde ich super. Was steckt hinter dem Strategiewechsel?

Ja, wir haben gesagt wir nehmen es jetzt ernster. Bis vor kurzem habe ich alles selber gemacht – Administration, Werbung, etc. Oft fehlte mir aber die Zeit, mir noch einen guten und originellen Text für Social Media auszudenken. Deshalb wurde auch sehr wenig gepostet. Nun habe ich jemanden eingestellt, die mir hier zur Hand geht. Die Mitarbeiterin postet regelmässig Inhalt und kümmert sich auch um unseren Newsletter, damit wir auch hier eine höhere und regelmässige Frequenz hinbekommen.

Ihr habt 25 Google Rezensionen mit durchschnittlich 5 von 5 Sternen. Bewirtschaftet ihr die Bewertungen aktiv?

Nein, die Bewertungen sind tatsächlich ohne unser Zutun entstanden. Wir haben aber darüber diskutiert, ob wir Rezensionen aktiv betreuen und unsere Kunden auffordern sollen, Bewertungen abzugeben. Doch ehrlichgesagt habe ich auch einen gewissen Respekt vor diesem Tool. Es gab mal einen negativen Kommentar, der mich doch recht beeinflusst hat. Wir konnten ihn zwar löschen (Beleidigungen sind nicht erlaubt) – aber dennoch. Ich war erstaunt über den Einfluss, den eine einzelne Person haben kann. Deshalb bin ich hier sehr zurückhaltend.  

Viele träumen auch von einer Selbständigkeit. Kommen aber über die Phase der Idee nie hinaus. Ein Grund dafür ist sicher, dass es am Anfang nach unüberschaubar viel Arbeit aussieht. Wie lange hast du gebraucht von der Idee bis zur Auslieferung des ersten Gemüsekorbs?

Ich denke von «Ja ich möchte das machen» bis hin zur effektiven Umsetzung hat es ca. ein Jahr gedauert. Ich bin der Meinung, dass man bei einem solchen Projekt nicht alles bis ins kleinste Detail durchdenken kann. Die tägliche Arbeit hält so viele Hürden bereit. Wenn man diese alle durchanalysieren will, wird man nie fertig. Natürlich sollte man nicht kopflos in etwas hineinstürzen und sich einen Gesamtüberblick verschaffen. Aber oft scheitern gute Ideen daran, dass man Chancen nicht rechtzeitig nutzt. Es braucht deshalb auch ein bisschen Mut zur Lücke. Und entweder man will es oder eben nicht. Ich konnte zum Beispiel am Anfang die abgesprochene Abnahmemenge nicht erreichen. Der damalige Bauer verlangte mind. 15 Körbe. Also musste ich die Differenz – es waren 5 bis 6 Körbe – selber essen (lacht). Das Beispiel zeigt aber auch, dass sich Projekte schnell entwickeln können. Niemand wird je eine 100-tige Sicherheit haben, dass seine Geschäftsidee erfolgreich wird.  

Aber einen Businessplan hattest du?

Jein, mein Businessplan war auf einer A4 Seite. Das Geschäftsmodell war sehr einfach und ich hatte kaum Investitionsbedarf. Das Einzige was ich auf Lager habe musste, waren die Körbe. Die restlichen Aufwände fielen erst nach Bestellung an. Grösstenteils ist das heute noch so. 

Aber du musstest doch auch jemanden finden, der dir das Gemüse liefert?

Ja, das ist so. Hier hat mir der Journalismus sehr geholfen. Dort habe ich gelernt so lange Fragen zu stellen, bis ich die Antwort bekomme, die ich brauche und die mich weiterbringt. Ich habe zig Bauern angeschrieben, telefoniert, mich durchgefragt, bis ich den richtigen Partner gefunden habe.

Und was war für dich die grösste Herausforderung?

Den richtigen Hof zu finden. Wichtig war es, dass es Bio Produkte sind. Allerdings: Die meisten Bio Höfe waren entweder zu klein oder zu gross. Es war schwer einen Betrieb zu finden, der Kapazität für ein Gemüse Abo hat. Zuerst fingen wir mit einer Hofgemeinschaft an. Da diese sich aber oft nicht einig werden konnten, was nun geerntet oder gepflanzt wird, mussten wir schon kurz nach Lancierung von Bio Mio einen neuen Partner finden. Seither arbeiten wir mit der Stiftung zur Weid in Mettmenstetten zusammen – und die Zusammenarbeit passt perfekt. Die Stiftung hatte bereits früher mit dem Gedanken gespielt, ein Gemüse-Abo auf die Beine zu stellen. Jedoch hatten sie niemanden, der die Vermarktung und Abwicklung übernehmen könnte. Daher war es der perfekte Zusammenschluss.

Noch heute ist es für beide Win-Win-Situation. Mittlerweile sind auch noch ein paar weitere Höfe dazugestossen. Dadurch waren wir schon vor Corona in der Lage, die immer grösser werdende Nachfrage mit eigenen Produkten stemmen zu können. Die Höfe sind sehr gut organisiert – nicht alle pflanzen das Gleiche. Dadurch ensteht die perfekte Mischung, die uns auch von teils sehr lokalen Wetterkapriolen schützt.

Gibt es Dinge, die du rückwirkend anders gemacht hättest? Fehler, aus denen andere lernen könnten?

Es hätte mir viel Zeit erspart, wenn ich das CRM-System schon früher in Auftrag gegeben hätte. Mein Fehler ist es vielleicht, dass ich manchmal zu vorsichtig bei Investitionen bin.

Ich habe gesehen, ihr habt das Sortiment mittlerweile erweitert. Zum Gemüse und Obst sind Fleisch, Eingemachtes und auch Milchprodukte hinzugekommen. Was kommt als nächstes? Weitere Produkte oder eine regionale Expansion?

Bei den Produkten sind derzeit keine Erweiterungen geplant. Ich hätte zwar immer schon gerne auch Milch im Portfolio gehabt, aber das ist heikel wegen der Kühlkette. Bisher haben einfach keine passende Verpackung zum Ausliefern gefunden.

Die regionale Expansion ist immer wieder ein Thema. Heute beliefern wir den ganzen Kanton Zürich sowie angrenzende Regionen im Aargau, in Zug und Schwyz. Ob wir bald tiefer in die letzten drei Kantone vorstossen, hängt vor allem von der Kundennachfrage ab. Transport ist sehr kostspielig. Es ist deshalb wichtig, dass wir an einem Ort gleich mehrere Kundinnen und Kunden beliefern können. Denn nur so rechnet sich die Fahrt. Zu Beginn waren wir zum Beispiel nur in der Stadt Zürich unterwegs und haben die Regionen schrittweise geöffnet.

Und zum Schluss: was rätst du den Lesern, die sich selbst mit den Gedanken eines eigenen kleinen Startups tragen?

Mein Rat: Sich auf das zu konzentrieren, was man macht. Wenn man zu viel links und rechts schaut, läuft man Gefahr, dass man sich verunsichern lässt und letztlich vielleicht auch zu viel will. Ein Beispiel: Unsere Körbe gibt es seit je her in nur zwei Grössen – gross und klein. Andere Marktbegleiter bieten Körbe für Singles, stillende Mütter, Familien etc. Ein breites Sortiment kostet immer auch Zeit und Geld: Schliesslich müssen alle Körbe geplant und auch entsprechend vermarktet werden. Deshalb haben wir uns entschieden, uns vorerst auf unsere zwei Grössen zu konzentrieren.

Und ebenfalls ganz wichtig: Immer ungeniert fragen – egal was. Nur so kommt man am Schluss auch zum Ziel.

Fragen aus dem Publikum, anlässlich der Interview Durchführung auf Clubhouse

Du hast gesagt, dass du während dem ersten Lockdown nicht alle Bestellungen bewältigen konntest und es Kunden gab, die auf der Warteliste geblieben sind. Sind dir diese Kunden treu geblieben oder sind sie auch schon wieder weg?

Während dem ersten Lockdown waren nur die Lebensmittelläden offen. Hamsterkäufe und Panik herrschte. Bei uns war die Wartezeit doch 2-3 Monate darum haben sich die Kunden anderweitig organisiert – was ich natürlich völlig verstehe.

Wie geht ihr vor bei der Erstellung der Rezepte?

Ich habe zwei Köchinnen, welche die Kreation übernehmen. Klar, manchmal schalte ich auch ein Rezept auf – zum Beispiel eine Spätzlipfanne. Aber natürlich haben die Rezepte von unseren Köchinnen eine ganz andere Qualität und sind meist auch viel kreativer. Ziel ist es aber, dass alle Rezepte einfach und ohne Chichi zubereitet werden können. Es gibt also keine Gewürze, die extra eingekauft werden müssen, und nachher nur herumliegen.

Von wie vielen Mitarbeiter redest du, wenn du in der Wir Form erzählst?

Wir haben vier Fahrer, zwei Köchinnen und jemand für die Social-Media-Kanäle. Auf dem Hof arbeiten zudem ca. 15-20 Helferinnen und Helfer, welche das Gemüse rüsten und in die Körbe verpacken. Die meisten arbeiten in Teilzeit-Pensen. Für mich ist das eine grosse Bio Mio-Familie, obwohl ich das Unternehmen alleine gegründet habe.

Was macht ihr gegen Foodwaste?

Wir verwenden die ganze Ernte – egal ob die Karotte krumm ist oder anders aussieht. Zudem haben wir ein strenges Regime, wenn es um Ferienabwesenheiten geht. Diese müssen uns jeweils in einer bestimmten Frist mitgeteilt werden, weil die Körbe fix abgezählt sind. Dafür werden wir hin und wieder kritisiert. Aber es ist die einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass wir nicht zu viel ernten und dann wegwerfen müssen.  


Kategorie:  Interview

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