Social Media verändert den Entscheidungs-Kauf-Prozess. Vom Trichter Modell zur Konsumenten-Entscheidungs Reise.
In der Vergangenheit wurde der Kauf-Entscheidungs-Prozess im Marketing gerne mit einem Trichter-Modell erklärt. Doch der Einfluss der Sozialen Medien hat auch die Marketing-Theorie nicht unbeeinflusst gelassen. Heraus kam: der „Consumer Decision Journey“ (CDJ).
Die Harvard Business Review widmete die Ausgabe vom Dezember 2010 dem Schwerpunktthema „Social Media and the New Rules of Branding“. Eine ausgesprochen interessante Ausgabe. Die interessantesten Artikel möchte ich an dieser Stelle in einer kleinen Serie zusammenfassen. Dieser Post befasst sich mit dem Artikel von David C. Edelmann mit dem Titel „Branding in the Digital Age – You’re Spending Your Money In All the Wrong Places“.
Edelmann beschreibt, wie das Internet die Art, wie Konsumenten mit Marken interagieren, verändert. Und welche Konsequenzen sich daraus für das Marketing ergeben. Eine der wichtigsten Erkenntnisse dabei ist die, dass „Konsumenten zwar immer klare Marken-Versprechen wollen, sich aber die Touchpoints, bei denen sie offen sind Beeinflussung sind und die Art, wie sie an diesen Punkten mit den Marken interagieren, verändert hat.“
Früher hat man bei der Beschreibung des Entscheidungs-Kauf-Prozesses gerne das Trichter Modell verwendet: Man ging davon aus, dass Konsumenten mit einer grossen Anzahl potenzieller Marken im Kopf begannen und diese dann im Laufe des Entscheidungsprozesses nach und nach reduzierten, bis sie zum Schluss die letzte übrig gebliebene Marke kauften. Das Marketing hat sich darauf konzentriert, mittels Push-Aktivitäten die Brand-Awareness zu stärken, die Berücksichtigung zu unterstützen und schliesslich den Konsumenten zum Kauf zu inspirieren.
Neue Erkenntnisse zeigen nun, dass, beeinflusst durch die Online-Diskussion, die Konsumenten die Anzahl der im Kaufprozess berücksichtigen Alternativen nicht (mehr) systematisch einengen, sondern im Prozess laufend neue Alternativen hinzukommen und andere wegfallen. Und die Konsumenten nach dem Kauf in eine „open-ended“ Beziehung mit der Marke treten, während dieser sie ihre Erfahrungen online teilen. Dies ist die Grundlage des CJD (Consunmer Desicion Journey).
Berücksichtigen
Die erste Phase unterscheidet sich nicht stark zu früher: es werden alle Alternativen Berücksichtigt, die der Konsument zu diesem Zeitpunkt kennt. Sei es aus der Werbung, aus persönlichen Kontakten mit den Produkten oder sonst wo her.
Evaluieren
Der Einfluss der Sozialen Medien beginnt mit der Evaluierung. Die ursprünglich in den Entscheidungsprozess eingeflossenen Alternativen werden in dieser Phase nicht zwingend eingeschränkt, sondern gerne auch erweitert, denn der Konsument lernt in dieser Phase aus Erfahrungen anderer hinzu und passt seine Auswahlkriterien entsprechend an. Ein Praxis-Test des Autors hat gezeigt, dass Konsumenten an dieser Stelle nicht etwa in erster Linie Suchmaschinen bemühten, sondern ganz gezielt beispielsweise bei Amazon.com oder anderen Verkaufs-Plattformen nach Produkt-Vergleichen sowie Konsumenten- und Experten-Ratings gesucht haben, um ihre Entscheidungsfindung abzustützen. Weniger als 10% der Probanden nutzten zu diesem Zeitpunkt die Website des Herstellers. Und Banner-Werbung wurde nur angeklickt, wenn sie Rabatte versprachen und der Kunde schon nah an der Kaufentscheidung war.
Kaufen
Der eigentliche Kauf-Entscheid wird so lange heraus gezögert, bis der Kunde sich tatsächlich am POS befindet.
Nachkauf-Phase
Die eigentliche Verbindung mit dem Produkt / der Marke beginnt nach dem Kauf, nachdem der Konsument damit beginnt, mit dem Produkt und den neuen Online-Touchpoints (sprich Bewertungs-Seiten, Facebook-Fanpages, Umfragen etc.) zu interagieren. Das Resultat dieser Phase hängt natürlich direkt davon ab, ob das Produktversprechen eingelöst wurde oder nicht. Wenn der Kunde zufrieden ist, kann die Verbindung zur Marke so stark werden, dass sie in einem „Enjoy-Advocate-Buy“ Loop mündet, der die Berücksichtigungs- und Evaluierungs-Phasen komplett auslassen.
Konsequenzen für das Marketing
- Die Evaluationsphase nicht unterschätzen: anstatt alles Budget für die Bekanntmachung auszugeben, auch die Evaluationsphase bedenken.
- Nicht mehr (nur) Einweg-Kommunikation nutzen: stattdessen auf Interaktion setzen
- Externe Kanäle bedenken: Die Konsumenten informieren sich über alle zur Verfügung stehenden (online) Kanäle. Nicht (nur) die eigene Website.
- Nachkauf-Phase nicht vergessen: Den zufriedenen Kunden Möglichkeiten bieten, Interaktion mit dem Produkt aufrecht zu erhalten. Und Feedback von unzufriedenen Kunden nutzen.
Neue Rollen im Marketing
Edelman leitet aus dem neuen Kauf-Entscheidungs-Prozess neue Rollen für das Marketing ab:
- Orchestator: Er ist für die Orchestrierung der Touchpoints (Website, Verpackung, Service, Verkauf) verantwortlich. Denn diese liegen normalerweise nicht alle in der Hand des Marketings.
- Publisher und „content supply chain“ manager: Er ist dafür verantwortlich, dass die gesamten Inhalte (Videos, Texte, Coupons etc.) so koordiniert werden, dass der Kunde ein einheitliches Bild der Marke erhält.
- Marketplace intelligence leader: Dieser ist für die Nutzung und Koordination der „Consumer insights“ verantwortlich, denn diese „gehören in die Hände des Marketings“.
Fazit
Social Media ist eben doch deutlich mehr als einfach nur eine neue Werbeform. Der Einfluss geht tief in die Strukturen. Aber natürlich ist vieles was Edelman als „Konsequenz der Einflüsse von Social Media“ darstellt ist m.E. nicht neu. Die „Neuen Rollen im Marketing“ beispielsweise wären eigentlich schon lange vor dem Aufkommen von Social Media nötig gewesen. Aber vielleicht geben die Überlegungen zum Umgang mit Social Media ja einfach den längst nötigen Anstoss zum Umdenken. Auch hinsichtlich der Position des Marketings – weg vom Marketing als Funktion hin zum Marketing als Denkhaltung.
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