Internetnutzung Kinder in der Schweiz – und die Wirkung von Online-Marketing bei Kindern am Beispiel von Coop und Migros
In der Schweiz erhebt NET-Metrix die Internetnutzung der Schweizer-Bevölkerung. Die Erhebung beginnt dabei bei den über 14-Jährigen. Wer den Umgang mit Kindern und Primarschülern kennt, der weiss, dass das Internet aber schon in sehr jungen Jahren und zum Teil sehr intensiv genutzt wird. Eine Studie der Universität hat jetzt die Internetnutzung der 9-16-Jährigen Schweizer Kinder analysiert – und interessante Ergebnisse zu Tage gefördert. Zwei aktuelle Beispiele von Coop und Migros zeigen – aus Eigenerfahrung -, wie gut Online-Kommunikation bei Kindern werbetechnisch funktioniert.
Gemäss NET-Metrix haben knapp 90% der Schweizer Bevölkerung über 14 Jahre Zugang zum Internet. Nur wie nutzen Kinder das Internet? Dieser Frage ist eine Studie des Instituts für Publizistikwissenschaft und Medienforschung der Universität Zürich nachgefragt. Dabei wurden 1’000 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 9 und 16 Jahren sowie je ein Elternteil in der Deutsch- und Westschweiz befragt. Die wesentlichen Ergebnisse sind:
- Schweizer Kinder sind im Schnitt 9 Jahre alt, wenn sie das erste Mal das Internet nutzen. Sie verbringen durchschnittlich 64 Minuten pro Tag im Netz, also deutlich weniger als im europäischen Mittel (88 Minuten).
- 97 Prozent der Schweizer Kinder zwischen 9–16 Jahren gehen zu Hause online. Auffällig viele Kinder, also 49%!, haben über ein mobiles Gerät Zugang zum Internet.
- Schweizer Kinder surfen NICHT extensiv im Netz. 30 Prozent geben ABER an, Zeit mit Surfen anstatt mit Familie und Freunden verbracht oder Hausaufgaben gemacht zu haben…
- Schweizer Kinder schauen sich im Internet meist Videos an (85 Prozent), machen etwas für die Schule (78 Prozent), e-mailen (65 Prozent) oder lesen und schauen Nachrichten (61 Prozent).
Soweit so gut. Nur…
Kids haben schon viel früher Zugang zum Internet als mit 9 Jahren
Das weiss ich aus eigener Erfahrung. Eine aktuelle Studie aus Schweden beweist das, und liefert erstaunliche Zahlen: In Schweden nutzen bereits 40% der Zweijährigen und 50% der 3-Jährigen das Internet. Hauptaktivität: Spielen. Natürlich! Hier gehen also schon Kleinkinder ans Netz und das Internet wird häufig als Babysitter eingesetzt. So die Ergebnisse einer Studie der schwedischen Stiftung für Internet-Infrastruktur.
Schweizer Unternehmen haben diesenTrend z.T. erkannt – zwei Beispiele
Wie (Schweizer) Unternehmen auf die Internet-Nutzung der Kids setzen können, und wie sie die Kaufentscheidungen der Eltern mit geschickten Online-Massnahmen beeinflussen, zeigen die beiden folgenden Beispiele illustrativ. Ein Erfahrungsbericht…
Bio, Bio – it’s naturalmente. Das YouTube-Video wirkt
Wer kennt ihn nicht… Den aktuellen, scheinbar abgekupferten und sehr erfolgreichen Spot sowie Song von Naturaplan. Die „Sons of Nature“ besingen darin die Vorzüge von „Bio“ auf mehr oder weniger sympathische und eingängige Weise.
Kürzlich war die Cousine meiner Kids auf Besuch. Und die hat ihren iPod mitgebracht. Zusammen haben sie das Ding, völlig logisch…, bei unserem CD-Player-Apparat-Dings-Bums angesteckt. Und den Song auf Maximallautstärke abgespielt. Im Chor haben sie dabei gesungen: „Bio, Bio!“ Mehrmals…
Nachdem die Cousine sich wieder verabschiedet hatte, war die Sache klar: „Du Papi, den Song gibt’s doch auch auf YouTube! Als Video. Wenn du ihn schon nicht auf iTunes kaufen willst…“ Also gut…
Und so läuft dieses Video bei meinen Kids gegenwärtig via iPad auf „heavy rotation“. Konkret: es beginnt schon beim Aufstehen – und ich werde mit „Bio, Bio!“ geweckt… Und wir hören uns dann während dem Morgenessen den Song in der Endlosschlaufe an. „Bio, Bio!“. Und am Abend, beim „Insbettgehen“ möchten sie dann nochmals das Video kucken. Als Ersatz für die Gutenachtgeschichte. „Bio, Bio“…
Ich fordere Schmerzensgeld. Und zwar viel. ;-). Aber offensichtlich mögen die Kids die Musik und den Clip. Nur wirkt der auch? Die Antwort ist einfach: Ja!
Beim letzten Einkauf ist der Kleinere, der jetzt als frischer Erstklässler gerade das Lesen gelernt hat, durch die Regale gesprungen – und hat überall gekuckt, auf welchen Produkten „Bio“ drauf steht. Und eindrücklich „B-IIIIII-OOOOOOOOOO“ buchstabiert. “Papi, „Bio, Bio“!” Ok, Bio, eben. Alles klar? Und natürlich will er jetzt, dass die Mutter nur noch Bio kauft (was wir btw. eh schon oft gemacht haben).
Vielen Dank, lieber Coop, dass du mir diesen schönen Song, diesen lustigen Spot und die Mehrausgaben für Bio-Produkte beschert hast ;-).
Aber das alles geht ja noch. Hier kommt das zweite, noch intensivere Beispiel.
Aninmanca – die Verkaufsförderungs-App
Vor ein paar Wochen sind meine zwei Kids nach dem Einkauf mit Sammelbildlis zu mir gestürmt, und haben mir voller Freude von der neuen Sammelaktion der Migros berichtet… Animanca! Oh, hatten wir nicht gerade erst kürzlich so etwas Ähnliches? Ich erinnere mich. Als ich kürzlich im Estrich (auf dem Speicher, für unsere Deutschen LeserInnen) war, habe ich einen Sack voller Nanos in der Ecke rumliegen sehen. Und im Kinderzimmer waren da nicht noch diese Steine….?
Und… „Du, Papi, es gibt auch eine Animanca-iPad-App! Kannst du die für uns runterladen?“ Also gut. Ein Fehlentscheid, wie sich später rausstellen sollte…
Die App bietet verschiedene Funktionalitäten. Von der einfachen Beschreibung der Dinos, über Games bis hin zu einem virtuellen Sammelkasten. Letzterer ist technisch betrachtet genial. Im Augmented Reality-Stil halten die Kids die Stickers vor die iPad-Kamera, fotografieren den Aufziehkleber und die App erkennt automatisch den Bildausschnitt – und ordnet diesen dem richtigen Ort sowie Dino im Online-Setzkasten zu. So sieht man schnell, welche noch fehlen… Soweit so gut.
Die Kids wollen jetzt natürlich möglichst oft mit den Dinos gamen. Und den Sammelkasten füllen. Den holzigen und den virtuellen. Das geht ja noch… Ziemlich extrem finde ich allerdings folgende Funktion: Apps können ja auch Push-Nachrichten absetzen. So weist einem das iPad (entweder die Kids, die gerade „Bio, Bio!“ kucken…, oder die Eltern, die gerade die News checken wollen) freundlich darauf hin, dass es dem Dino Rexy gar nicht gut geht. “Kümmere dich um ihn, bevor es zu spät ist!” fordert einem die Tamacochi-App mehr oder weniger freundlich auf…
Das ist ja alles noch ok. Aber es kommt noch etwas dicker. An einem Dienstag, das ist der Tag, bevor die Kids am nächsten Tag am Nachmittag schulfrei haben…, wurde folgende Nachricht „gepusht“: „Jokertag 3: Joker-Dino Stego ist da! Am 03.10. in deiner Migros!”
Was folgt, ist klar: „Du, Mami, wir müssen morgen in die Migi. Und den Animanca-Joker holen“. Ok, dänn halt… Kleiner Haken: den Joker kriegt man nur, wenn man für mindestens sechzig Schweizer Franken einkauft…
Liebe Migros, vielen Dank, dass in unserem Haushalt jetzt auch noch ein Riesen-Dino und ein Setzkasten für kleine Holz-Dinos rumstehen…, die Kids dauernd „gamen“ wollen – und wir aussergewöhnlicherweise am Mittwochnachmittag in der Filiale stehen und für mehr Geld einkaufen, als wir das sonst tun würden. 😉
Und was lehren uns die Studienergebnisse und die beiden Beispiele?
So einiges können wir mitnehmen:
- Schweizer Kinder nutzen das Internet und Tablets – ziemlich intensiv… Auch schon Kleinkinder
- Kinder beeinflussen Kaufentscheide – Eltern sind machtlos…
- Und: Online-Kommunikationsmassnahmen, ob spezifische wie im Fall von Animanca oder allgemeine wie im Fall des Bio-Songs, funktionieren.
Punkt.
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