Interview: Schweiz zu verkaufen! Die Second Life-Insel “Switzerland” steht zum Verkauf. Interview mit Cypher Black

Lange habe ich geglaubt, und vielleicht auch gehofft, dass die virtuelle Welt Second Life nicht untergehen wird – und weiterhin für eine bestimmte Nutzerschaft attraktiv bleiben wird. Jetzt steht die Insel (der Sim) “Switzerland” zum Verkauf. Ein Indiz dafür, dass Second Life langsam aber sicher doch untergeht. Oder doch nicht? Wir haben mit der Schweizer Second Life-Ikone “Cypher Black” über das heikle Thema gesprochen.

Ihr schliesst, respektive verkauft den Sim/die Insel “Switzerland” auf Second Life. Warum?
Ein Punkt, aber nicht der wichtigste wäre sicher einmal der Kostenfaktor. v-worlds GmbH finanziert Switzerland in SL jeden Monat mit ca. 150 USD aus der eigenen Tasche und das schon seit Jahren. Würde mehr Action / Events durch die Community auf dem Sim Switzerland stattfinden, wäre das sicher kein Problem.

Da im Speziellen die Swiss-Community in der Schweiz (um die 20 AKTIVE Member’s) aber eher klein ist, sind wir der Meinung, dass das Preis-Leistungsverhältnis für Switzerland in SL einfach nicht mehr stimmt.

Wie viele User sind denn (noch?) auf Second Life aktiv? Wie viele aus der Schweiz?
Das mit der Anzahl User in SL ist recht schwierig zu sagen. Den Zahlen von LL traue ich persönlich schon lange nicht mehr. Die Anzahl der Accounts sagt auf alle Fälle gar nichts über die tatsächliche Anzahl der Menschen aus, die sich in SL treffen. LL behauptet immer noch, dass an die 60’000 User gleichzeitig online sind. Ich denke, es sind aber weitaus weniger. Ich würde mal schätzen die Hälfte – und wahrscheinlich werden es immer weniger.

Die Schweizer Community ist in SL auch schwer zu fassen. Wir treffen immer wieder neue Leute aus der Schweiz in SL an, aber die Anzahl der AKTIVEN Schweizer User in SL ist recht übersichtlich. Ich denke, es sind an die 20, der harte Kern besteht aus ca. 5-10 Pesonen.

Warum konnte sich Second Life nicht besser durchsetzen – oder gar etablieren? Und ist Facebook eine Konkurrenz für Second Life?
Die Gründe, wieso SL sich nicht durchsetzten konnte, sind vielfältig. Hier ein paar davon (meine subjektive Meinung ;-)):

• LL hat es verpasst, Innovationen in SL zu integrieren, die es dem Business ermöglichen würden, Fuss zu fassen (Präsentationen, Schulungen, Verkauf etc.)
• LL verlangt relativ viel Geld für (virtuelels) Land in SL (Anschaffung für einen Sim ca. USD 1’500.00, monatliche Belastung ca. 300 USD, einen guten Webserver kriegt man ab CHF. 5.00 im Monat !)
• 3D Content ist sehr aufwändig und kompliziert.
• Umsetzung und Betrieb von Projekten in SL ist teuer
•  SL ist zu kompliziert in der Bedienung
• Proprietärer Client (keine Zugang über Browser)
• Zu geschlossene Welt

Facebook ist meiner Meinung nach keine  Konkurrenz zu SL. Bei FB tritt man im Normalfall mit seinem eigenem Namen auf, in SL mit einem Pseudonym. Da werden unter Umständen völlig unterschiedliche Soziale Netzwerke aufgebaut.
Ob die ganze soziale Revolution im Internet eine Konkurrenz zu SL ist, das könnte man vielleicht diskutieren. Ich sehe virtuelle Welten aber als einen Teil dieser Revolution. Somit sind virtuelle Welten wie SL eher komplementär zu den ganzen “anderen” sozialen Netzwerken zu verstehen.

Gibt es gegenwärtig ähnlich interessante Plattformen wie Second Life, oder ist Vision des 3D-Webs definitiv gestorben?
OpenSim Welten schiessen zur Zeit wie Pilze aus dem Boden. Einige dieser Welten erscheinen uns zur Zeit sehr attraktiv. v-worlds GmbH wird in Zukunft in der einen oder anderen OpenSim Welt auch wieder anzutreffen sein. Von dem her ziehen wir uns nicht aus den virtuellen Welten zurück, sondern vorerst nur aus Secondlife.

Die Vorteile der OpenSim Welten sind MOMENTAN noch : Günstigere Preise, mehr Flexibilität, bessere Kontakte zu den Betreibern, besserer Support. OpenSimulator Welten basieren auf der gleichen Technologie wie Second Life. Von dem her ist ein Umstieg relativ einfach. Sein Inventar kann man (abhängig von den Rechten auf den Objekten) von SL in eine OpenSim Welt transferieren. Voice wird mittlerweile in OpenSim-Welten unterstützt, und die meisten dieser Welten haben auch ein eigenes Wirtschaftssystem, analog zu SL.

Vielleicht müsste man den Begriff 3D Web noch genauer spezifizieren. Das 3D Web gab es nie wirklich. Das würde heissen, dass man via Browser auf eine virtuelle Welt zugreifen kann. Da waren zwar ein paar Ansätze, aber richtig durchgesetzt hat sich das nie. Dehnt man den Begriff 3D Web aber noch ein wenig aus, kommt man dann mal schnell zu den Computerspielen. In aktuellen Computerspielen werden virtuelle Welten in sehr hohem Umfang präsentiert (Sykrim ist zwar nur Single-Player, aber ein gutes  Beispiel für eine virtuelle Welt in einem Computerspiel). Auf einige Computerspiele kann man heute schon via Webbrowser zugreifen, bei anderen Computerspielen wird sehr viel Wert auf soziale Interaktion gelegt (aktuell zum Beispiel Battlefield 3 von EA – unser Testbericht dazu ist hier zu finden.

Aus meiner Erfahrung in SL geht es den meisten Benutzern um Konsum und einem bedeutend kleinerem Teil um Gestaltung. Auch hier befriedigen Computerspiele in einem viel höherem Umfang die breite Masse.
Insofern werden wir von v-worlds in Zukunft auch Computerspiele als einen wichtigen Teil von virtuellen Welten betrachten.

Was hast du in den 5 bis 6 Jahren rund um Second Life gelernt?
Eine ganze Menge 😉

• Community – Aufbau und Betreuung.
•  Aufbau und Unterhalt von diversen Webplattformen (Forum, Blog, Wiki etc).
• 3D Technologie inkl. Design von 3D Objekten
• Scripting, sprich Programmierung
• Medienpräsenz (Fernsehen, Zeitungen, Journale etc.)

Und das Wichtigste: ich hab eine Menge interessante Menschen kennengelernt. Einige davon zähle ich heute noch zu meinen besten Freunden.

Was machst du jetzt, statt Second Life?
Neben dem, dass ich Frau, Kinder und einiges an Haustieren habe, engagiere mich für die Piratenpartei in der Schweiz. Momentan versuchen wir da gerade einen virtuellen Stammtisch zu etablieren, und dann haben wir (hauptsächlich Mihu aus SL und ich) noch ein neues Projekt, das Game-Reviews, auch für Eltern schreibt: www.game-fokus.ch. Demzufolge spiele ich recht viel Computerspiele (am PC, Mac, Xbox, Wii und PS3) und schreibe eine ganze Menge an Artikeln.

Vielen Dank für das spannende Interview!
Thx a lot
take care and
HAVE FUN
Ronny