Die Community, der Shitstorm, das Friendly Fire und vielleicht auch noch das HR
Am vergangenen Freitag durfte ich an der HSLU im Rahmen des CAS Online Communication and Marketing Thesengespräche abnehmen, also quasi mündliche Prüfungen durchführen. In einem Gespräch habe ich gefragt, wie lautet der Fachbegriff dafür, wenn sich die eigene Online Community, z.B. auf Facebook, gegen einem wendet? Ich hätte mir als Antwort „Shitstorm“ oder „Friendly Fire“ vorgestellt. Richtig? Und was könnte das mit HR zu tun haben?
Was bitte schön ist ein Shitstorm?
Sascha Lobo (@saschalobo) definiert den Shitstorm:
als einen Prozess, wenn in kurzem Zeitraum eine subjektiv grosse Anzahl von kritischen Äusserungen getätigt wird, von denen sich zumindest ein Teil vom ursprünglichen Thema ablöst und stattdessen aggressiv, beleidigend, bedrohend oder anders attackierend geführt wird.
Shitstorm bezeichnet ein Internet-Phänomen, bei dem sachliche Kritik von zahlreichen, unsachlichen Beiträgen übertönt wird und sich zumeist gegen grosse Konzerne und vereinzelt gegen Einzelpersonen richtet.
Aha, so weit so gut. Und was ist jetzt ein gutes Beispiel?
Das illustrative Beispiel eines Shitstorms gegen KiKat von Nestlé
Das (altbekannte) Beispiel von KitKat zeigt schön, wie ein Shitstorm funktionieren kann: Greenpeace hat nämlich gezielt eine Kampagne gegen die Schokoriegel-Marke ausgelöst und geschickt den Krieg dahin getragen hat, wo die Fans sich aufhalten: Nämlich auf die eigene Facebook Fanpage von Nestlé.
Kurz nach dem offiziellen Start der Greenpeace-Kampagne tauchten massenhaft Kommentare auf der Nestlé-Seite auf, in denen zum Boykott der Firma aufgerufen wurde. Einige der vermeintlichen Fans hatten ihr Profilbild gegen ein verändertes Kitkat-Logo mit der Aufschrift “Killer” ausgetauscht.
Der Herausforderer hatte also quasi die Infrastruktur des Gegners gekapert.
Nestlés Administrator reagierte auf den Kaperversuch mit rüden Ansagen, im Web eine wenig erfolgversprechende Taktik. Er postete einen Eintrag, in dem die Verwendung veränderter Logos untersagt wurde: “Die werden gelöscht”. Kritik an diesem Vorgehen wies Nestlé zurück. “Es ist unsere Seite, wir machen die Regeln. So war’s immer.” Eine Fehleinschätzung. Neben den eingeschleusten Provokateuren erregten sich schliesslich auch echte Nestlé-Fans, weil ihnen der Mund verboten wurde.
Und draussen auf Twitter und auf Blogs tobte als Resultat eben der Shitstorm – den Nestlé sinnigerweise durch wenig intelligentes Verhalten auf der eigenen Fanpage selber noch verstärkt hatte. Das also passiert, wenn von extern schlechte Stimmung gemacht wird und dann eine Firma ihre Fans auch noch verprellt.
Eine über Monate oder gar Jahre gepäppelte Web-Community kann sich plötzlich gegen einem wenden.
Das Friendly Fire – wenn eigene Fans auf das Idol schiessen
Die Schlussfolgerung daraus lautet: wer auf einer Facebook Fanpage (oder anderen Plattformen) seine Fans aggregiert, hat zwar viele Vorteile (z.B. Permission für Dialoge und eine bestimmte Reichweite in die Zielgruppe) – aber auch ein gewisses Risiko. Denn: auf einer Fanpage kann sich jeder, ob Fan oder im Falle von Nestlé auch Gegner, über die Pinnwand ausdrücken. Das heisst, jeder hat ein Sprachrohr unter den Gleichgesinnten. Die Stimmung kann also auch kippen, bisher positiv Gesinnte können angesteckt werden – und das alles im Herzen der Community.
Wird ein Protest oder schlechte Stimmung durch die eigenen Fans initiiert und ausgelöst, würde ich diesem Kontext gar von “Friendly Fire” sprechen. Friendly Fire ist eigentlich ein ganz schlimmer, martialischer Begriff.
Friendly Fire ist der irrtümliche Beschuss eigener oder verbündeter Streitkräfte in einer kriegerischen Auseinandersetzung.
Und so kann es eben passieren, dass sich die Community – vielleicht sogar aus eigenen Stücken – gegen einem wendet.
Shitstorm und Friendly Fire im HR?
Spinnt man die beiden Begriffe weiter, so könnten im HR-Kontext Shitstorms und Friendly Fires ausgelöst werden.
Zum Beispiel könnten bei Kündigungen eine Lawine von nicht nur sachlicher Kritik ausgesprochen werden. Also ein Shitstorm losgetreten werden. Und das auf der eigenen Facebook Recruiting Fanpage. Damit könnte man als Unternehmen vielleicht noch leben, denn irgendwann ist eine Kündigungswelle vorbei und man kann auf einer Fanpage auch seriös und sachlich Dialoge mit den Betroffenen führen. Aber sicher ist das ziemlich anspruchsvoll für ein Unternehmen.
Doch was, wenn auf der eigenen Recruiting Fanpage plötzlich einige, meinungsführende Arbeitnehmer mehr Lohn oder (noch…) bessere Arbeitsbedingungen fordern – und die Stimmung kippt. Hat man dann ein Friendly Fire?
Oder einfach einen Online-Streik…?
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