Storytelling Teil 1: der perfekte Cliffhanger
…Den Feind immer noch fest im Griff, stürzte sich unser Held in den Abgrund – wo ihn die Dunkelheit verschlang. Ende. Moment, wie bitte? War das etwa schon alles? An dieser Stelle würden wohl einige das Buch frustriert gegen die Wand schmettern oder aber vor Vorfreude seufzen. Cliffhanger sind ein beliebtes Tool in der Texter- und Autorenwelt, vor allem da sie ihre Wirkung nie verfehlen. Sie machen Lust auf mehr und lassen uns jegliche Emotionen durchleben. Frustration. Freude. Wut. Zufriedenheit. Ein guter Cliffhanger verbindet all diese unterschiedlichen Elemente und lässt uns mit einer Frage zurück: Wie geht es weiter?
Der Hype um die Cliffhanger
Spätestens seit John Snow, aus der HBO Kultserie Game of Thrones, mit mehreren Stichverletzungen verblutend im Schnee lag, kennt die breite Masse das Wort «Cliffhanger». Denn es beschreibt einen spannenden Moment, der abrupt unterbrochen wird und erst in einer zweiten Erzählung aufgelöst wird. Ab dieser Episode wurde es zum Trend, seine Reaktionen auf die Cliffhanger der Serie – und die damit verbundenen Plot-Twists – zu filmen und ins Internet zu stellen. Die Challenge wurde zum viralen Hit und verbreitete sich in Windeseile auf sämtlichen digitalen Kanälen. Selbst Hollywood Stars machten mit und stellten ihre Reaktionen ins Netz. Showhosts wie Conan, Jimmy Fallon und Ellen Degeneres nutzten den Hype und luden Stars und Showrunner ein, um deren Meinungen zu hören – und um jegliche Informationen aus ihnen herauszubekommen. Die Reaktionen der Fans auf diesen Tumult: episch.
Aber wie kann ein Cliffhanger erst so eine unglaubliche Wirkung auf den Konsumenten haben? Dahinter versteckt sich das Wort «Storytelling» – also das Geschichten erzählen.
Die Macht des Storytellings
Schon seit Anbeginn der Zeit haben sich Menschen Geschichten erzählt. Die ersten Versuche diese aufzuschreiben sind als Wandmalereien für die Nachwelt aufgezeichnet worden. Zwar müssen wir uns heutzutage nicht mehr davor fürchten, von Säbelzahntigern unterbrochen und gefressen zu werden, der Spass am Erzählen ist trotzdem geblieben. Aber was macht eine gute Geschichte aus? Ist es die richtige Reihenfolge der Erzählung? Der Tonfall, mit dem sie übermittelt wird? Oder etwas anderes? Die Antwort ist wohl eine Kombination aus allen. Um eine Geschichte zu erzählen braucht es nicht viel.
Grundsätzlich baut sie sich in drei Abschnitten auf. Einleitung, Hauptteil und Schluss. In der Einleitung werden die Hauptcharaktere eingeführt. Der Leser oder Zuschauer lernt die Figuren kennen, kriegt ihre Emotionen, ihre Gedankenwelt und ihre Eigenschaften mit. Im Anschluss geht die Geschichte los, die Handlung startet und die Reise beginnt. In diesem Abschnitt baut sich die Spannung langsam auf. Natürlich können auch hier kleine Spannungstiefs eingebaut werden, was in Ordnung ist, da der Leser das grosse Finale erwartet. Im letzten Teil, dem Schluss, ist der Spannungsbogen dramatisch nach oben geschossen. Der Leser erwartet ein phänomenales Finale und hofft, dass seine liebgewonnenen Charaktere ein zufriedenstellendes Ende bekommen. Der Einbau eines Cliffhangers hackt diesen immer höher steigenden Spannungsbogen ab und lässt den Leser buchstäblich mit seinen Hoffnungen und Erwartungen über einer unsichtbaren Klippe hängen.
Was für Cliffhanger gibt es?
- Ein totgeglaubter Charakter taucht wieder auf
- Eine schockierende Information wird preisgegeben
- Der Hauptcharakter wird vor eine unmögliche Wahl gestellt
- Der Charakter findet etwas, was dem Zuschauer verborgen bleibt
- Ein emotionales Wiedersehen findet statt
- Der Charakter tappt in eine Falle
- Ein Hinterhalt/Verrat zwischen Freunden findet statt
- Jemand macht das schlimmste/dümmste, was man in diesem Moment tun kann
- Das Abwarten einer wichtigen Information
- Das Monster lebt!
- Ein wichtiger Charakter verschwindet, wird für tot erklärt
- Etc.
Natürlich gibt es noch andere Formen von Cliffhangern, die zum Einsatz kommen können. Welches die Richtige ist, lässt sich nur situationsbedingt feststellen.
Cliffhanger im Marketing
Storytelling in der Werbung ist ein essenzielles Tool, um im Gedächtnis der Menschen zu bleiben. Allerdings reicht es nicht immer, nur gute Geschichten wiederzugeben. Deswegen greifen Unternehmen auch hier gerne auf die Masche mit den Cliffhangern zurück. Das Ziel ist wie auch in allen anderen Bereichen dasselbe: Der Leser/ Zuschauer muss nach mehr verlangen. Gar nicht so einfach, wo doch viele Clickbaits im Internet kursieren. Der schmale Grat um Mailings, Newsletter, Videos oder anderen Content nicht lästig erscheinen zu lassen, ist schwierig. Aber nicht unmöglich. Zu langatmiger Content sollte also am besten vermieden werden, damit der User nicht das Interesse verliert. Wenn die Platzierung richtig gesetzt ist, freut sich der User. Zahlt sich also ein Cliffhanger aus? Wir werden sehen…
Fazit
Cliffhanger sind im Storytelling ein wohlbekanntes Tool. Das Einsatzgebiet: Bücher, Newsletter, Filme, Serien etc. Sie bieten eine hervorragende Gelegenheit, um die emotionalen Achterbahnen einzusetzen. Dabei gibt es durchaus verschiedene Cliffhanger. Richtig eingesetzt, lassen sie den Leser nach mehr verlangen. Bis sie – meistens in der nächsten Episode, Folge, Buchreihe – aufgelöst werden, wissen wir, wie John Snow, nichts.
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